Rückblick Weiterbildungsforum 2024: Wie sieht die Zukunft der Weiterbildung aus?
«Das Lernen ist zu einer lebenslangen Aufgabe geworden, deswegen ist auch die Weiterbildung essenziell für die ETH. Sie ist ein wichtiger Teil unserer Mission, der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft zu dienen.» Mit diesen Worten eröffnete der ETH-Präsident Joël Mesot das Weiterbildungsforum am 23. April 2024. Im Laufe des Nachmittags wurde die Weiterbildung aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet und diskutiert.
Begrüssung ETH-Präsident Joël Mesot
Die Relevanz von Future Skills für die Weiterbildung
In seinem Referat illustrierte Ulf-Daniel Ehlers von der externe Seite Dualen Hochschule Baden-Württemberg, wie «Weiterbildung Menschen befähigen muss, mit Emergenz umzugehen». Er sprach dabei den Trend an, dass es im Lebenslangen Lernen eine Verschiebung von Wissens- hin zu Wertevermittlung gibt, Weiterbildung den Menschen ins Zentrum rückt und auch rücken soll und es schon seit einiger Zeit und auch zukünftig viel mehr um Sinnstiftung geht, wenn sich Menschen weiterentwickeln.
Ehlers skizzierte dabei eine Umkehr der Hochschulbildung, wie wir sie heute kennen: Von einem Modell mit mehrjährigem Studium, dessen Kompetenzvermittlung im Extremfall ein Leben lang reichen soll, hin zu einem System, wo Lernen kontinuierlich, möglichst bedürfnis- und situationsgerecht, interessengeleitet, transformativ, sowie zum Zeitpunkt und im Tempo der Lernenden stattfinden kann und wo Hochschulen zu lebenslangen Partnern dieser werden können.
«Weiterbildung soll nicht abnehmen nach der Ausbildung, sondern ein konstanter Prozess bleiben.»Ulf-Daniel Ehlers, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Karlsruhe
Diese Umkehr des Systems wurde im Vorfeld des Forums auch vom Geschäftsführer der School for Continuing Education, Lukas Sigrist, im Rahmen des Zukunftsblog diskutiert.
Ehlers postulierte in seinem Referat weiter, dass zu einem erfolgreichen Umgang mit hoch-emergenten Situationen Kompetenzen gebraucht werden, welche es erlauben, «selbstorganisiert komplexe Probleme zu lösen und (erfolgreich) handlungsfähig zu sein». Zu diesem Zwecke hat das von ihm geleitete «Next Skills»-Projekt Vorschläge für solche «Future Skills» erarbeitet, welche unter externe Seite NextSkills.org offen zugänglich sind.
Ehlers betonte das Verständnis des Zusammenspiels von Kompetenzen, die zu dieser Handlungsfähigkeit führt. Dazu können und sollten Hochschulen diese zukunftsgerichteten Kompetenzen in ihre Curricula mitintegrieren (nicht nur «dazu bauen»). Verantwortliche für ETH-Studiengänge können dafür das ETH-Kompetenzraster als Grundlage verwenden. Dieses teilt sowohl die Forderung nach ganzheitlichem Kompetenz-Erwerb (Fach-, Methoden-, Sozial- und Persönlichkeitskompetenzen integriert) wie auch die Idee, dass dieser Erwerb Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen zusammenbringt. Hält man das Raster neben Ehlers’ externe Seite «Future Skills»-Landkarte, so zeigen sich an vielen Stellen auch Brücken, welche durchaus Ausdruck des Zusammenspiels sind, welches Ehlers erwähnte.
Wie gelingt zukunftsorientierte Weiterbildung?
Im Rahmen des ersten Podiums zur Frage «Wie gelingt zukunftsorientierte Weiterbildung?» diskutierten Stefanie Ratzel (Head of Talent & Learning bei Hitachi Energy), Christina Cuonz (Direktorin des Zentrums für universitäre Weiterbildung der Universität Bern und Präsidentin von Swissuni), Ulrike Grossner (Ordinaria für Leistungshalbleiter und Direktorin des Weiterbildungsprogrammes MAS ETH in Applied Technology) sowie Ulf-Daniel Ehlers.
«Morgen ist die Frage», nahm Moderator Stefan Küenzi die Frage nach den zukünftig relevanten Kompetenzen vom vorherigen Referat als Start zur Diskussion. Im Gespräch zeigte sich unter anderem, dass der Nutzen einer berufsbezogenen Weiterbildung von der Gestaltung der individuellen Situation der Teilnehmenden beeinflusst wird. Dabei kann entscheidend sein, wie gut es die am Lernprozess Beteiligten gemeinsam schaffen, die Angebotsgestaltung mit der Anwendung von erworbenen Kompetenzen zusammenzubringen.
Die Herausforderungen bezüglich der Flexibilisierung und Individualisierung des Lernens können als vielseitige Chance betrachtet werden. Bei den Anbietenden zum Beispiel, weil aktuelle Forschungsergebnisse laufend interdisziplinär und unter Einbezug von Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar gemacht werden kann und soll. Dies idealerweise, indem Weiterbildungs-Angebote möglichst teilnehmenden- und marktgerecht gestaltet werden. Und indem wir die Angebote «rund um gesellschaftliche Problemlagen herum denken», wie dies Ulf-Daniel Ehlers beschreibt. Was dazu bei den Anbietenden nötig ist, hat Podiums-Teilnehmerin Christina Cuonz nach dem Forum so zusammengefasst: «Hochschulen und ihre Mitarbeitenden müssen selbst Zukunftskompetenzen/Future Skills haben, um ihre Weiterbildung zukunftsfähig aufzustellen – vor allem Kooperationskompetenz».
«Hochschulen und ihre Mitarbeitenden müssen selbst Zukunftskompetenzen/Future Skills haben, um ihre Weiterbildung zukunftsfähig aufzustellen – vor allem Kooperationskompetenz»Christina Cuonz, Direktorin Zentrum für universitäre Weiterbildung Universität Bern, Präsidentin Swissuni
Firmen/NPOs und Weiterbildungs-Teilnehmende wiederum können die Bedürfnisse nach neuen und zukunftsorientierten Kompetenzen mit den Veränderungen verknüpfen, welche sie vornehmen wollen, um auch morgen im betrieblichen Alltag erfolgreich zu sein. Die Weiterbildungs-Anbietenden können dabei mithelfen, die Bedürfnisse der Betriebe und Mitarbeitenden zu klären und den nötigen Kompetenz-Erwerb zu definieren.
Die enge Verbindung von Alumni und Weiterbildung
Jeannine Pilloud eröffnete das zweite Inputreferat des Nachmittags mit der Perspektive, dass die ETH in Zukunft ihr ganzes Netzwerk, inkl. der grossen Alumni-Organisation, für die Förderung des Lebenslangen Lernens verwenden will. Sie benannte dabei auch explizit den Wunsch des ETH-Präsidenten, den ETH-Alumnae und -Alumni die Möglichkeit bieten zu wollen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Mit Hilfe einer «ETH Alum Journey» könne z.B. ein Angebot für Personen in einzelnen Phasen ihrer Karriere besser systematisiert werden. Das heisse z.B., dass jüngeren Alumnae und Alumni Kompetenzen anbieten könne, die es brauche, um ein Start-up zu gründen. Und Senior Alumnae und Alumni könnten dazu allenfalls auch im Rahmen eines Mentorings beitragen. Die ETH wolle dabei auch die Wertschätzung den Absolvent:innen gegenüber stärken, sagte Pilloud. Dies solle u.a. damit passieren, dass man den Alumnae und -Alumni die ETH wieder näherbringe, sie wieder stärker an die ETH anbinde. Dafür müssten die Dienstleistungen der ETH-Alumni-Organisation stärker auf die Bedürfnisse der Mitglieder ausgerichtet sein. Dafür werde u.a. auch ein Arbeitspaket mit dem Namen «Career» geschnürt, welches den Alumnae und Alumni entsprechende Dienstleistungen anbieten soll. Dabei werden auch ETH-Weiterbildungsangebote eine Rolle spielen. Mit diesen und weiteren Massnahmen sollen auch deutlich mehr ETH-Absolvent:innen als Mitglieder in der ETH-Alumni-Organisation gewonnen werden.
Mit diesem Potential können zukünftig auch die ETH-Weiterbildungsangebote gestärkt werden, wenn man bedenkt, dass heute im Durchschnitt erst rund 20 % der Weiterbildungsteilnehmenden Absolvent:innen eines grundständigen ETH-Studiums.
Erfolgreiche Partnerschaften für Lebenslanges Lernen
Das zweite Podium des Nachmittags drehte sich darum, wie erfolgreiche Partnerschaften für Lebenslanges Lernen gestaltet werden können. Dabei diskutierten Helen Buchs (Arbeitsmarktforscherin und Leiterin des Think-Tanks TRANSIT über die Zukunft der Weiterbildung), Remo Hauser (Head of Human Resources bei der Bossard Group), Ana Procopio (Head of Learning EMBA ETH HSG), Nicolas Gruber (Ordinarius für Umweltphysik und Direktor des Weiterbildungsprogrammes CAS ETH in Climate Innovation) sowie Jeannine Pilloud.
Passend zu obiger Aussage von Christina Cuonz zur Wichtigkeit der Kooperationskompetenz der an der Weiterbildung Beteiligten stellt Moderator Chris Luebkeman eingangs des Podiums die These auf, dass der Erfolg von Weiterbildungsangeboten von Hochschulen allenfalls zukünftig stärker davon abhängt, wie gut die Schule mit ihren externen Anspruchsgruppen partnerschaftlich kooperiert, z.B., um die Programme den sich ändernden Bedürfnissen anzupassen.
Ausgehend von der Frage, was erfolgreiche Partnerschaften für die Podiumsteilnehmenden bedeuten: Es wurde deutlich, dass breit abgestützte Partnerschaften der Weiterbildung und allen daran Beteiligten dienen. Dies impliziert auch, dass man regelmässig gemeinsam zwischen Wissenschaft und Praxis das Erreichte und die gesteckten Ziele überprüft. Oder, wie Nicolas Gruber sagte: «Gute Partnerschaften für die Weiterbildung leben vom Engagement. Von Jemanden, der oder die sich Zeit nimmt, allen zuzuhören». Die ETH kann dabei eine wichtige Rolle spielen, indem sie evidenzbasierte, aktuelle Inhalte in die Praxis bringt. Remo Hauser teilte diese Sicht und sieht in Kooperationen, wo praktische Probleme und auch Innovationsbedarf von Firmen in Hochschul-Weiterbildungen eingebunden werden, einen potentiellen Mehrwert für die Unternehmen.
«Gute Partnerschaften für die Weiterbildung leben vom Engagement. Von Jemanden, der oder die sich Zeit nimmt, allen zuzuhören.»Niki Gruber, Direktor CAS ETH in Climate Innovation
In der Diskussion beschrieb Ana Procopio zudem die Entstehung des embaX-Programmes als erfolgreiches Beispiel, wie gemeinsam mit Praxispartnern eine Weiterbildung entwickelt werden kann. Jeannine Pilloud ergänzte, dass dabei entscheidend sein könne, wie gut es gelinge, die Forschungs-Ergebnisse der Hochschule in der Wettbewerbs-Situationen von Firmen zu einem Vorteil zu nutzen.
Welche Formate für die Zukunft am wichtigsten sind, stellt sich auf Grund der aktuell intensiv diskutierten Microcredentials erneut. Diese stehen gefühlt in einem Gegensatz zu dem eineinhalbjährigen Executive MBA – für eine intensive Auseinandersetzung mit einem Thema sind diese Formate dennoch nicht plötzlich obsolet. Helen Buchs fasste dies folgendermassen zusammen: «Microcredentials, also kleine Lerneinheiten, sind gefragt. Die vertiefte, fachliche Auseinandersetzung mit Lerninhalten, losgelöst von der Praxis, ist aber ebenso wichtig.»
«Microcredentials, also kleine Lerneinheiten, sind gefragt. Die vertiefte, fachliche Auseinandersetzung mit Lerninhalten, losgelöst von der Praxis, ist aber ebenso wichtig.»Helen Buchs, SVEB, Arbeitsmarktforscherin, Leiterin Think-Tank TRANSIT über die Zukunft der Weiterbildung
Ein Highlight zum Abschluss
In seinen Grussworten wies Rektor Günther Dissertori darauf hin, dass das Wissen eine immer kürzere Halbwertszeit hat und somit alle dazu aufgefordert sind, sich regelmässig weiterzubilden. Während die ETH für die heutigen Herausforderungen diesbezüglich gut aufgestellt ist, wurde auch deutlich gemacht, dass sich in der Lehre auch weiterhin stark entwickeln wird und Anpassungen, sowohl in Aus- als auch in der Weiterbildung, nötig sind. Gleichzeitig ist die ETH gut gerüstet, um sich weiter an der sich wandelnden Nachfrage und den Bedürfnissen der Zielgruppen zu orientieren und das lebenslange Lernen weiterzuentwickeln. Zum Schluss bedankte sich der Rektor bei allen in der Weiterbildung aktiven ETH-Angehörigen (und denen, die aktiv werden wollen) für ihren Einsatz.
Dem Dank schloss sich denn auch der Prorektor für Weiterbildung, Stefano Brusoni, an.
Mit seinen abschliessenden Worten kündigte er das letzte Highlight des Weiterbildungsforum an: Das neue Image-Video der School for Continuing Education, welches komplett aus Videomaterial aus den ETH-Weiterbildungsangeboten zusammengestellt wurde: